Christine Wang – „LA:FURN“
Eröffnung: Mittwoch, 18. November 2015, 19 bis 22 Uhr
Ausstellung: 19. November 2015 bis 16. Januar 2016
„No More Jails“
Was ist politische Kunst und kann es sie überhaupt geben oder gibt es nur politisch handelnde Menschen? Diese Frage beantwortet Christine Wang zugunsten des Handelns als Aktivistin, beispielsweise in der Auseinandersetzung um die boomende kalifornische Gefängnisindustrie, die aus dem Wegsperren von ökonomisch ineffizienten Menschen ein lukratives Geschäft für Privatinvestoren macht. So beschrieben etwa in dem Buch „Bestrafen der Armen“ des in Berkeley lehrenden Soziologen Loïc Wacquant oder in einem Kapitel der neuesten Veröffentlichung von Saskia Sassen „Expulsions“ („Vertreibungen“).
Christine Wang engagiert sich in politischen Gegeninitiativen zu diesen Entwicklungen der sozialen Ausgrenzung im Neoliberalismus. Kunstwerke an sich können in ihren Augen aber nicht politisch sein. Damit nimmt sie eine heute eher ungewöhnliche Position in der Debatte um „criticality“ in der Kunst ein, eine Haltung nämlich, die das Problem selbst ernster nimmt, als die Strategie seiner ästhetischen Exemplifizierung. Dieses Verhältnis hat sich, wie Anika Bender in einer Kritik in Texte Zur Kunst analysiert [1] umgekehrt. Viele zeitgenössische KünstlerInnen, die sich Themen mit politischem Hintergrund suchen, nehmen laut Bender den Einsatz, um den es eigentlich geht, mit eleganter coolness nur noch als Anlass zur Selbstdarstellung.
Zwei Werke dieser Ausstellung, „Victory!“ und „Death“, stellen explizit Problematiken soziopolitischer Brennpunkte dar, in die Wang sich einmischt. So hatte sie, zur Feier einer kurz anhaltenden Wende in der Gefängnispolitik, Luftballons mit den Worten „No More Jails“ produziert. Im Bild sieht man die Nike von Samothrake, die diese Luftballons hinter sich herzieht. (Wang: „This painting is about my feelings of joy and victory when on June 9, 2015 Los Angeles County Board of Supervisors voted to stop a 2 billion dollar jail plan for 45 days“). „Death“ handelt von dem Tod des Schwarzen Charley “Africa” Keunang, der von 6 Polizisten in Los Angeles im Frühjahr 2015 zu Tode geprügelt wurde. Videobilder von den Geschehnissen gingen in sozialen Netzwerken um die Welt.
Die mit goldenen hashtags bedruckten Kartons lassen die Welten zweier Milieus aufeinanderpralllen. Obdachlosen dienen solche Schilder häufig als Bettelrequisiten. Die hashtags, mit denen eine Generation von „usern“ eine Art sinnentleerte zwischenmenschliche Kommunikation auf Distanz praktiziert, bilden hierzu einen bitteren Kontrast.
Christine Wang gehört in ihrer Generation zu den interessantesten KünstlerInnen mit politischer Agenda, gerade weil sie für sich entschieden hat, den Begriff der „criticaltiy“ von Kunst nicht über zu strapazieren und als Ersatz für politisches Handeln zu betrachten. Diko-Reisen freut sich, junge Kunst zu fördern und die Werke der Künstlerin auszustellen.
[1] Not in Proper Terms. Annika Bender über Helena Huneke in der Halle für Kunst, Lüneburg, 21. Mai 2015.